Corontine – Tag 1 und 2

Der Beginn der Einsamkeit

Montag Abend hat Präsident Macron für Frankreich ein striktes „confinement“, also eine Quarantäne, verhängt – vorerst für zwei Wochen. Heute, am Tag 2, sprach der Gesundheitsminister Olivier Véran jedoch bereits von MINDESTENS 14 Tagen, es kann also auch länger andauern.

Die absolute Quarantäne bedeutet, dass wir in Frankreich unsere Unterkünfte nur noch mit einer Bescheinigung und aus 5 Gründen verlassen dürfen: Nahrungsmittel kaufen, arbeiten (wenn für die Tätigkeit home office nicht möglich ist), gesundheitliche Gründe (also Arztbesuch oder Apotheke), Familienmitglieder im Notfall aufsuchen, und um alleine Sport zu machen. Verstößt man gegen das Ausgehverbot drohen einem 135 € Strafe.

Ich möchte hier veröffentlichen, wie ich diese Quarantäne erlebe (und hoffentlich überlebe!), alleine auf 35 qm in Paris – eine Art Logbuch oder Quarantäne-Tagebuch.

Hier sitze ich also in meiner kleinen Pariser Wohnung, mit einzigem Ausblick den kleinen Hinterhof, wo für gewöhnlich immer etwas los ist, immer ein Fenster offen, ein Musiker am musizieren oder Kinder spielen – seit 2 Tagen ist es hier totenstill. Die meisten meiner Nachbarn scheinen sich aus dem Staub gemacht zu haben. Im Treppenhaus höre ich noch Schritte. Die Nachbarn über mir sind also noch da. Das beruhigt mich etwas. Wie auch die rote Katze, die ich heute zum ersten Mal auf dem Fensterbrett gegenüber entdeckt habe. Das stimmt mich weniger einsam.


Für gewöhnlich arbeite ich von zu Hause. Ich bin Autorin und verbringe oft ganze Wochen am Stück hinterm Schreibtisch, mache die Nacht zum Tag, vor allem wenn es auf eine Deadline für einen Roman zugeht. Da kommt es vor, dass ich tagelang keine Freunde treffe. Aber es ist nun doch etwas anderes, wenn man überhaupt nicht mehr vor die Tür darf. Denn auch in intensiven Schreibphasen „writing binges“ gehe ich trotzdem alle 2 Tage zum Bäcker, quatsche dort mit den Verkäuferinnen, smalltalke mit dem Türken um die Ecke, der mich mit Döner versorgt, plaudere mit den Nachbarn am Briefkasten – Jetzt fallen alle sozialen Kontakte komplett weg.
Gelangweilt habe ich mich in den zwei Tagen zwar noch kein bisschen – mitunter dank Telefon und Internet. Ich habe mit Freunden, die auch in Paris sind, wenigstens telefonieren können. Auch mit meiner Familie, die über ganz Europa verstreut ist – die Whatsapp-Gruppe, die wir gestartet haben, hilft ein wenig über die Entfernung hinweg, gaukelt uns vor, doch beisammen zu sein, wenigstens in diesem virtuellen Raum, und das ist derzeit Gold wert. Auch die Freunde in Deutschland und anderen Ländern, die über Facetime und Instagram erreichbar sind. Es gibt also Austausch, Kommunikation, virtuelle Wärme. Aber der direkte Kontakt fällt eben völlig weg. Sowas ist nicht zu unterschätzen.
Ich versuche mich abzulenken, habe eigentlich auch genug zutun: Vorgestern erst habe ich ein Drehbuch abgeliefert, jetzt muss ich den Vorschautext für meinen neuen Roman für Rowohlt verfassen, dann den Staffelbogen für eine Serie schreiben, dann die Outlines, etc. – theoretisch könnte man mich bis Ende des Jahres in Schreib-Quarantäne stecken, ich hätte alle Hände voll zutun, und ich liebe meine Projekte, dafür lebe ich – aber angesichts der derzeit täglichen Schreckensnachrichten fällt es mir schwer, mich auf die Arbeit zu konzentrieren. Vielleicht sollte ich vorübergehend keine Nachrichten mehr lesen? Oder nur abends, nach dem Schreiben? Ich glaube, das probiere ich ab morgen aus.

Vielleicht wäre alles halb so wild, wenn der Kontext ein anderer wäre. Doch die Ungewissheit darüber, wie das Virus sich weiterentwickeln und welche Folgen es für uns alle, für die Welt haben wird – das muss man sich mal vorstellen, die GESAMTE Welt hängt da drin, wir sitzen alle in EINEM Boot! Derzeit ist alles so unklar, da habe ich persönlich noch weniger Lust diese unstete Zeit alleine zu erleben.

Was auch immer passieren wird, ob positiv oder negativ, ich denke, die Welt wird nie wieder so sein wie sie war. Alleine die Feststellung macht das Alleinsein nicht leichter.
Hinzu kommt, dass ich seit nun fast zwei Wochen zähe Halsschmerzen habe, die einfach nicht verschwinden wollen. Mein Arzt hat mir Antibiotika verschrieben, es scheint also nicht das Corona-Virus zu sein, doch beruhigend ist es nicht: weder will ich versehentlich Leute anstecken, noch angesteckt werden. Jetzt ist nicht die Zeit, um schwach zu sein. Die rasant steigenden Todeszahlen machen mir Angst. Aber Jammern und Angst helfen auch nicht. Jetzt gilt es, stark zu bleiben, es zumindest versuchen; den Körper und den Geist pflegen; sich Gutes tun und fit halten. Um die Hoffnung nicht zu verlieren. Um nicht durchzudrehen. Ich stelle mir vor, was ich tun werde, sobald die Quarantäne aufgehoben wird: endlich diesen Dackel adoptieren, von dem ich seit Monaten träume. Vielleicht freundet er sich dann mit der roten Katze von gegenüber an?

Haltet die Ohren steif!